Szene aus "Der gewissenlose Mörder Hasse Karlsson", Junges Schauspielhaus Hamburg

Fotos: Sinje Hasheider

mit:
Hermann Book, Sergej Gößner, Gabriel Kähler, Christine Ochsenhofer, Sophia Vogel
 
Regie: Isabel Osthues
Bühne: Jeremias Böttcher
Kostüme: Mascha Schubert
Musik: Timo Willecke

Die Inszenierung erhielt den Berganus-Preis der Freunde des Deutschen Schauspielhauses in Hamburg e.V.
Hasse Karlsson ist dreizehn Jahre alt und lebt in einem abgelegen kleinen Dorf in Schweden. Es ist Winter, es ist kalt und dunkel. Die Welt hier ist überschaubar. Hasse kennt alles und jeden. Da taucht Schwalbe auf. Er ist ebenso alt wie Hasse, ansonsten trennen die beiden Welten: Schwalbe ist Sohn des Oberförsters, besitzt Schneeschuhe und wohnt in einem Haus mit sieben Zimmern. Hasse dagegen fristet ein Leben am unteren Ende der Gesellschaft. Er verkauft Rattenfallen und schleicht sich ohne zu bezahlen ins Kino. Doch Schwalbe ist nicht nur in ein anderes Milieu hineingeboren. Er ist im Kern anders – skrupellos, heiß und kalt zugleich und radikal. Man ahnt von Beginn an, dass Schwalbe dem Bösen schon einmal ins Auge geblickt hat. So etwas fasziniert noch mehr, wenn im Leben sonst nichts passiert. Die beiden Jungen gehen eine unheimliche Verbindung ein: „Wir werden Schrecken verbreiten!“, beschreibt Schwalbe verschwörerisch das Bündnis der beiden. Der Schrecken wird tatsächlich kommen. Harmlos ist nichts, was die beiden tun. Zu Beginn sind die Aktionen zwar noch folgenlos, doch von einem solchen Menschenhass beseelt, dass man ahnt, Schlimmeres wird folgen. Die letzte gemeinsame Tat wird Hasse ein Leben lang nicht mehr loslassen.

 Henning Mankells Drama ist die Geschichte eines gewissenlosen Verführers und eines Mörders mit großem Gewissen. „Warum tut man Dinge, die man nicht tun will?“, fragt sich Hasse und findet keine Antwort. Mankell erlöst ihn nicht. Wir sehen aber wie groß die Faszination von Gewalt und Andersartigkeit ist und wie die Angst dazu führt, gegen sich selbst zu handeln. Mankell schuf ein Stück über Verführbarkeit und die Möglichkeit, Entscheidungen zu treffen und die Mühe, die es macht, mit der falschen zu leben.
Presse
(...) Mit ihrer ersten Arbeit am Deutschen Schauspielhaus findet Regisseurin Isabel Osthues ebenso einfache wie einprägsame, aber auch komische und poetisch-versponnene Bilder für eine Gesellschaft, die keine Nähe zulässt. Wenn Hermann Book als tuntige Pferdehändlerin mehrmals niesend den schneebedeckten Hut verliert oder als glockenbehangene Aurelia Gott eine Tasse Kaffee anbietet, verwandelt sich die Geschichte der beiden Jungs mit dem dynamischen Duo Gabriel Kähler und Sergej Gößner in absurdes Theater. Als nasenlose Posaunistin sorgt Sophia Vogel mit clownesker Pantomime für verspielte Leichtigkeit. Das erträumte bessere Leben hat sein Symbol in dem von der Decke baumelnden Schiffsmodell der Mutter (Christine Ochsenhofer), der Hasse am Ende davonläuft, um mit seinem Geheimnis erwachsen zu werden. Ein Theaterabend, der keine großen Überraschungen braucht, um nachdenklich zu machen.
Sven Ingold, Die Welt

(...) Ohne große Requisiten, aber mit viel wunderbar ineinandergreifender Fantasie erzählen Osthues und ihr engagiertes Team von einer fragwürdigen Freundschaft und dem Zerfall einer Familie. Die inneren Konflikte, die Sehnsucht nach Ausbruch aus den Verhältnissen, aber auch die Schuldgefühle spiegeln sich in der Verzweiflung von Hauptdarsteller Kähler.
(...) Das Stück erzählt auch vom Umgang mit irgendwie "Andersartigen", die gerne als Opfer auserkoren werden, von einer gläubigen Außenseiterin (großartig gespielt von Hermann Book) und einer Posaunistin ohne Nase (Sophie Vogel). Doch der Blick auf alle Figuren bleibt liebevoll, das Stück ist nie moralisierend. Die Vertreibung aus dem Paradies der Kindheit ist eine endgültige. Wie geht ein jeder von uns mit Verrohung, Mutproben und Verführung um? Brennende Fragen, denen heute viele Jugendliche in ihrer alltäglichen Lebenswelt begegnen. Sie alle sollten diese Inszenierung sehen.
Hamburger Abendblatt
Back to Top