Fotos: Martin Kaufhold

mit:
Volker Ringe, Katharina Brenner, Anna Döing, Eckhart Neuberg, Pina Kühr, Ronja Losert, Bertram Maxim Gärtner, Daniel Seniuk
Regie: Isabel Osthues
Musik: Timo Willecke
Bühne: Jeremias Böttcher
Kostüme: Mascha Schubert

Krähwinkel in Aufruhr. Der Bürgermeister des kleinen Städtchens möchte seine Tochter Sabine mit dem „Bau-, Berg- und Weginspektors-Substitut Sperling“ verheiraten. Sabine möchte aber unter keinen Umständen diesen Wald- und Wiesenhelden, sondern den Mann aus der großen weiten Welt: ihren Olmers aus der Residenzstadt. Kurz vor der Verlobung mit Sperling taucht der Liebste in Krähwinkel auf und bringt das gesamte Kleinstadtwesen durcheinander. Man vermutet in ihm sogar den König inkognito. Die Damen des Ortes sind aus dem Häuschen und zeigen sich von ihrer respektabelsten Seite. Schließlich haben sie etwas zu bieten: Titel, Anstand und Würde. Und die Herren hoffen, durch den mysteriösen Besuch das Ansehen ihrer Gemeinde zu steigern. Bitter enttäuscht sind dann alle von dem unkonventionellen Benehmen des Fremden, der schließlich auch noch klarstellt, nicht einmal der König zu sein. Nur um Sabine zu heiraten, sei er da. Aber einem Mann, dem ihre gutbürgerlichen Gepflogenheiten gleichgültig sind, der mit großstädtischer Arroganz auf alles reagiert, was ihnen wichtig ist, den wollen sie nicht in ihrem Städtchen. Mit List und Hartnäckigkeit muss das Liebespaar die Verwandtschaft von der Anpassungsfähigkeit des Großstädters überzeugen.
Auf dem Höhepunkt seines Ruhms war August von Kotzebue einer der erfolgreichsten Autoren auf deutschsprachigen Bühnen, so auch auf dem Bamberger Theater zu Zeiten E.T.A. Hoffmanns. Nicht zuletzt wegen seiner wirkungssicheren Komödie „Die deutschen Kleinstädter“, in der er den Ort „Krähwinkel“ in die Theaterliteratur einführt, wurde er als „deutscher Molière“ bezeichnet.

Presse
(…) „Heimat“ hat Sibylle Broll-Pape, die neue Intendantin des Bamberger E.T.A. Hoffmann-Theaters, ihre erste Spielzeit überschrieben. Dass die gebürtige Sauerländerin dafür ausgerechnet August von Kotzebues 1802 uraufgeführte Satire „Die deutschen Kleinstädter“ ausgraben würde, damit konnte niemand ernsthaft rechnen. Und doch macht die Auswahl Sinn. In dem Stück hält Kotzebue dem Spießbürger genüsslich den Spiegel vor. Die Handlung spielt in dem Örtchen Krähwinkel, in dem die Einwohner so verquere Titel führen wie: „Herr Bau-, Berg- und Weginspektorssubstitut“ und „Frau Untersteuereinnehmerin“. Dem Franken von heute ist der krächzende Ortsname durchaus ein Begriff: Er kennt ihn, weil er ursprünglich von Jean Paul stammt, dem großen fränkischen Dichter (und Biertrinker). Kotzebue hat ihn sich nur für sein Lustspiel stibitzt. Und Regisseurin Isabel Osthues, die den Vierakter nun auf die Große Bühne stemmte, hat die von ihr erstellte Stückfassung gleich „Krähwinkel“ genannt. „Eine Komödie mit Schlagermusik“. Nach August von Kotzebue.

(…) Broll-Pape ist mit dem Versprechen angetreten, ein Theater für die Stadt zu machen, und so kann man die Premiere von „Krähwinkel“ durchaus als Nagelprobe auf dieses Versprechen sehen. Schließlich lässt Isabel Osthues Inszenierung keinen Zweifel, wohin die Handlung verlegt wurde: Krähwinkel ist die Domstadt. Können die Bamberger über sich selbst lachen? Ja, sie können. Und wie. Nach und nach, so Broll-Pape, will sie einen Repertoire-Spielplan etablieren. Es hat den Anschein, als hätte sie mit „Krähwinkel“ dafür das erste Stück gefunden. Die Inszenierung hat das Zeug, ein Publikumsrenner zu werden.

Das hat viele Gründe: ein fantasievolles Bühnenbild, ein bestechendes Ensemble, eine kluge Regie. Das Leichte in Szene zu setzen, erfordert meist mehr Geschick als das tiefgründelnde Drama. Bei Kotzebue kommt erschwerend hinzu, dass sein Lustspiel alles andere als ein Well-made Play ist. (…) Aber darauf kommt es gar nicht an. Man erfreut sich einfach an den Spießbürgern, die einem vorgeführt werden: Und zwar liebevoll, ohne Denunziation. Sind wir nicht alle, so scheint die schlagermusikbeseelte Inszenierung in bonbonbunter 50er Jahre Technicolor- und Petticoat-Optik zu fragen, ein bisschen Krähwinkel?

Über die kunstgrasüberzogene Bühne von Jeremias Böttcher, die an eine perfekte Modelleisenbahnlandschaft erinnern würde, stünde da nicht ein Baum in Form eines männlichen Gemächts herum, stolzieren die Krähwinkler, repräsentiert durch die Bürgermeisterfamilie Staar. Sie sind starrsinnig, ja. Und sie bilden sich was auf sich ein: Der unselbständige Bürgermeister, gespielt vom Bamberger Theaterurgestein Volker Ringe, ebenso wie dessen Schwester. Katharina Brenner ist die Frau Untersteuereinnehmerin, und sie ist hinreißend in ihrer ganzen Gouvernantentantenhaftigkeit. Und sie kann singen, fast wie die Knef. Was für ein Gewinn ist diese Schauspielerin für Bamberg. Ebenso wie die anderen neuen Ensemblemitglieder: die quirlige, quicklebendige Anna Döing als Sabine zum Beispiel. Oder Daniel Seniuk, der den Karl in einer sehr fein austarierten Mischung aus Weichei und Macho gibt. Wie singen die beiden so hübsch im Duett: „Tanze Samba mit mir.“ Wir nehmen die Einladung gerne an: „Weil die Samba uns glücklich macht.“
Die deutsche Bühne
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